Welche Aufgaben verfolgt die IG EuroCloud innerhalb Swico?
Martin Andenmatten: EuroCloud ist ein paneuropäischer, herstellerunabhängiger Wissens- und Innovations-Hub mit dem Ziel, Wissen und Erfahrung zwischen Cloud-Service-Anbietern, Cloud-Service-Kunden, Start-ups und Forschungszentren auszutauschen. Cloud Computing im Unternehmensumfeld ist trotz der einleuchtenden Vorteile für viele Organisationen immer noch ein schwer zu fassendes Betriebsmodell, das insbesondere in einem regulierten Markt immer noch schwer zu beantwortende Fragen offenhält. Hier versteht sich die EuroCloud als Brückenbauer im Cloud-Ökosystem zur Förderung von Transparenz, Akzeptanz und damit Vertrauen für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Cloud-Services. Die IG EuroCloud Swiss ist der Schweizer Verband und pflegt mit den europäischen Partnern einen ständigen Dialog. Wir sind sozusagen das Bindeglied in Bezug auf europäische und globale Entwicklungen im Cloud-Business und den Bedürfnissen und den Gegebenheiten im Schweizer Markt.
Mit welchen aktuellen Themen beschäftigt sich die IG zurzeit vor allem?
Cloud als Basistechnologie hat mittlerweile eine breite Akzeptanz gefunden. Wir beschäftigen uns heute vor allem mit den Folgen der Cloud für unsere Unternehmen und die Gesellschaft. So sehen wir die Cloud als Treiber für die digitale Transformation und Voraussetzung für Entwicklungen der Industrie 4.0. Im Rahmen von Whitepapers oder Fachveranstaltungen leisten wir Hilfestellungen zur Klärung von konkreten Fragen wie zum Beispiel der Umsetzung der neuen Datenschutzregulierung GDPR im Cloud-Umfeld.
Warum braucht es eine solche Interessengemeinschaft?
Die rasante Entwicklung rund um Cloud Computing und die daraus laufend neu entstehenden Cloud-Dienste und Cloud-Anbieter sind für die meisten Unternehmen immer noch schwierig zu überblicken und zu verstehen. Die verlockenden Angebote der Serviceprovider und die oftmals fehlende Transparenz, was genau in der Cloud vor sich geht, wo die Daten gespeichert werden und wer in die gesamten Supply Chain involviert ist und Zugriff hat, verlangt nach einer neutralen und unabhängigen Betrachtung. Hier sehen wir unseren Zweck: Wir wollen aufklären, Transparenz schaffen und den Anwendern helfen, die richtigen Fragen zu stellen.
Wie viele Mitglieder hat die IG, und wollen Sie weitere Mitglieder hinzugewinnen? Wer kann Mitglied werden? Gibt es Wunschmitglieder, die Sie gerne gewinnen würden? Und welche sind dies?
Die EuroCloud Swiss hat derzeit rund 20 Mitglieder. Grundsätzlich sind alle willkommen und es können auch die Mitglied werden, die ebenfalls Mitglied von Swico sind. Swico ist jedoch primär ein Anbieterverband und richtet sich weniger an Anwenderorganisationen, die eine zentrale Rolle in der Betrachtung der IG EuroCloud einnehmen. Die IG arbeitet heute primär mit einem Team von sieben Beiräten, welche die verschiedenen Marktinteressen vertreten. Die Beiräte sind stark mit der Wirtschaft vernetzt und sind aktuell dabei, die IG EuroCloud im Markt breiter bekannt zu machen und den Zugang zu den vorhandenen Produkten wie Star-Audit, Cloud Privacy Check oder den vorhandenen Whitepapers zu ermöglichen.
Warum finden sich Amazon, Google und Swisscom nicht auf der Mitgliederliste?
Das ist eine gute Frage. Während sich Google und Amazon als globale Player verständlicherweise nicht primär in lokalen Verbänden engagieren, würde es einer Swisscom gut anstehen, sich aktiv einzubringen. Die IG war in den vergangenen Jahren zu stark intern beschäftigt und hat die Öffentlichkeitsarbeit etwas vernachlässigt. Wir haben entschieden, dies nun zu ändern. Wir führen nun zweimal jährlich eine Veranstaltung rund um aktuelle Themen durch und werden das Label «Trust in Cloud» lancieren. Mit diesem Label wollen wir gute Cloud-Implementierungen im Markt präsentieren und Entscheidungsträger motivieren, ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen. Dies wird insbesondere Cloud-Service-Provider anregen, ihre Lösungen transparent zu gestalten.
Welche Trends sehen Sie im Geschäft mit Cloud-Lösungen?
Die Investitionen in Cloud-Lösungen werden auch die nächsten Jahre weiterhin stark zunehmen. Unternehmen fangen an, auch ihre Legacy-Umgebungen sukzessive in die Cloud zu verschieben. Während heute noch vielfach die Infrastrukturen mit «Lift and Shift» und ohne eigentliche Transformation in die Cloud verschoben werden, gewinnen Lösungsanbieter, die mit Managed Services helfen, die Lösungen an eine flexible Cloud-Architektur zu adaptieren und Public-Cloud-Services zu integrieren. Hybrid-Cloud-Services werden der neue Standard, insbesondere in der Schweiz wo noch viel Wert darauf gelegen wird, dass die Daten innerhalb der Landesgrenzen verbleiben.
Welche Trends sehen Sie bei der Anwendung von Cloud-Lösungen in Unternehmen?
Unternehmen stehen unter Druck, ihre lokal installierten Infrastrukturen durch kostengünstigere Cloud-Lösungen zu ersetzen. Der Trend geht jedoch dahin, dass Lösungen nicht mehr aus einer Hand bezogen, sondern einzelne Teilservices von verschiedenen Anbietern berücksichtigt werden. Die Orchestrierung, Integration und das Management der Multi-Cloud-Umgebung wird dabei zur grössten Herausforderung, weil einerseits das Know-how oft fehlt und andererseits auch wenig offene Cloud-Management-Werkzeuge zur Verfügung stehen. Nur grosse Unternehmen können sich den Aufbau des Know-hows im eigenen Unternehmen leisten. Unternehmen werden die Cloud-Infrastruktur selbst künftig nicht mehr in den Fokus nehmen. Der Schwerpunkt liegt in Zukunft vielmehr in der Adaption und Ablösung traditioneller Applikationen durch moderne Cloud-Technologien. Die Infrastruktur selbst wird reduziert auf eine Zeile Code – «Infrastructure-as-a-Code» und wird bei Bedarf in den Applikationen direkt alloziert und wieder freigegeben.
Welchen Einfluss hat die GDPR, die nächstes Jahr in der EU in Kraft tritt, auf das Cloud-Geschäft von Schweizer Cloud-Anbietern?
Die neue Datenschutzgrundverordnung der EU hat einen sehr grossen und direkten Einfluss auf Unternehmen und Schweizer Cloud-Anbieter. Viele Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung als «Controller» heute vielfach noch nicht bewusst und haben daher auch noch nicht die eigene konkrete Situation mit ihren Serviceanbietern geregelt. Cloud-Service-Anbieter müssen als «Processor» von GDPR-relevanten Daten lückenlos Transparenz zur Verfügung stellen, insbesondere welche allfällige Drittparteien in der Verarbeitung ebenfalls eingebunden sind und wo die Daten effektiv gespeichert sind. Es müssen Prozesse implementiert werden, die sicherstellen, dass mögliche Datenschutzverletzungen innerhalb von 72 Stunden an die Datenschutzbehörde gemeldet werden. Verletzungen der Sorgfaltspflicht haben empfindliche Bussen zur Folge. Es empfiehlt sich bereits seitens Cloud-Anbieter, dass sie ihre Hausaufgaben machen und proaktiv auf ihre Kunden zugehen, falls nicht schon geschehen. EuroCloud hat hierzu ein Service entwickelt, der Unternehmen hilft, bestimmte Entscheidungen und Prozesse zu vereinfachen. Der Service hilft mit vier einfachen Schritten, relevante rechtliche Informationen bereitzustellen und den notwendigen Handlungsbedarf abzuschätzen. Die bereitgestellten Informationen wurden von 53 europäischen Anwälten aus 33 Ländern in den jeweiligen Sprachen untereinander abgestimmt – auch seitens Schweiz – und stehen allen frei zur Verfügung (cloudprivacycheck.eu).
Welchen Einfluss wird 5G im Mobilfunk auf das Cloud-Geschäft haben?
Die fünfte Generation des mobilen Netzwerks wird die Kapazitäten für Big-Data-Dienstleistungen verstärken. Insbesondere auch dort, wo aufgrund grosser Datenbestände die eigentliche Verarbeitung auf die Edge-Geräte verschoben werden mussten. Mit 5G werden diese technischen Hürden stark gesenkt und die Möglichkeiten von Cloud-Lösungen verstärkt. Nicht bloss, dass die Endgeräte von Verarbeitungen entlastet werden, auch Cloud-Services können verstärkt in das Mobile-Netz eingebunden werden und müssen nicht mehr in einem zentralen Backbone-Netzwerk angesiedelt sein. Die Flexibilität von Mobile-Cloud-Diensten wird dadurch nochmals stark erhöht und kommt damit wieder stärker an die Cloud-User heran. In der Fachsprache nennt man diesen Trend von der Cloud zum «Fog» (Nebel).
Warum sind Sie ein Cloud-Fan?
Ich bin ein Vollblut-Informatiker und habe in meiner beruflichen Karriere alle grossen technologischen Entwicklungen miterleben dürfen. Cloud Computing ist trotz grosser Integrationsanforderungen rein technisch gesehen nicht wirklich revolutionär. Die Auswirkungen auf die klassischen IT-Betriebsmodelle und Geschäftsprozesse sind jedoch enorm. Die Cloud ermöglicht die vierte industrielle Revolution, was ich äusserst spannend finde und es als Privileg ansehe, nahe dabei zu sein. Was die Cloud bei IT-Organisationen, Unternehmen und in der Gesellschaft auslöst, ist spannend mitzuverfolgen. Man muss lernen, festgefahrene Sichtweisen nicht einfach eins zu eins auf neue Technologien und Verfahren anzuwenden, sondern besser versuchen, den Weg und das Vertrauen zu finden, die Entwicklung der Zukunft positiv zu gestalten. Dies aufzuzeigen ist mein grösster Anreiz.
Ein Blick in die Kristallkugel: Wie wird sich das Cloud-Geschäft 2018 in der Schweiz entwickeln?
Das nächste Jahr ist bereits sehr nahe. Es bedarf wohl keiner grosse Prophezeiung, jetzt zu behaupten, dass 2018 ein weiteres Wachstumsjahr für Cloud-Anbieter werden wird. In der Schweiz ist «Swissness» noch ein starkes Verkaufsargument für viele insbesondere im regulierten Markt aktive Unternehmen. Wie lange dieses Label jedoch in Zukunft noch greift und wie stark sich die Konsolidierung im Cloud-Infrastruktur-Markt bemerkbar macht, lässt sich schwer abschätzen. Aber vielleicht zeichnen sich hier im Verlauf des Jahres 2018 erste Tendenzen ab.
Über EuroCloud Swiss
EuroCloud Swiss ist der schweizerische Fachverband zur Förderung des Cloud Computing in der Schweiz. EuroCloud Swiss bezweckt die Förderung von Cloud Computing in Theorie und Anwendung und den Einsatz von Technologien, Konzepten, Methoden und verwandte Themen in der Schweiz. Sie vertritt die Interessen der Cloud-Computing-Community in der Schweiz und fördert den Austausch mit anderen Personen und nationalen und internationalen Organisationen.
Sie bietet den Mitgliedern eine umfassende Schweizer Plattform für den nationalen und internationalen Wissens- und Erfahrungsaustausch. Zudem setzt sie sich ein, globale und europäische Entwicklungen in Bezug auf Recht, Datenschutz, Standards und Guidelines zu erarbeiten und nach Bedarf auf Schweizer Bedürfnisse anzupassen.
Sie pflegt eine enge Zusammenarbeit mit Anbietern, Herstellern, Anwendern, Beratern, Hochschulen/Universitäten, Fachhochschulen, anderen Verbänden und dem Bund im Bereich Cloud Computing. Sie führt Weiterbildungs- und Informationsveranstaltungen zum Thema Cloud Computing durch. Sie setzt sich für Akzeptanz, Transparenz, Standards, Qualität, Zertifizierung und Auszeichnung (Award) von Cloud Computing im Schweizer Markt ein.
Seit dem 1. Januar 2015 ist Eurocloud Swiss als Interessengruppe in den Swico integriert.